284. Intelligence Memorandum, erstellt von der Central Intelligence Agency¹

DER ISRAELISCHE ANGRIFF AUF DIE USS LIBERTY

Das technische Forschungsschiff der US-Marine, die Liberty, wurde am 8. Juni vor der Sinai-Halbinsel von israelischen Flugzeugen und Torpedobooten angegriffen. Der folgende Bericht über die Umstände des Angriffs wurde aus allen verfügbaren Quellen zusammengestellt.

1. Die Liberty meldete am 8. Juni um 9:50 Uhr (2:50 Uhr Washingtoner Zeit), dass sie von zwei Delta-Flügel-Kampfflugzeugen, vermutlich israelischen Mirages, umkreist worden sei. Um 15:05 Uhr (8:05 Uhr) wurde die Liberty von nicht identifizierten Düsenflugzeugen beschossen. Die Liberty war während des Luftangriffs offenbar nicht in der Lage, mit anderen Einheiten der Sechsten US-Flotte zu kommunizieren, und die ersten Informationen, die den US-Befehlshabern zur Verfügung standen, stammten von dem anschließenden Angriff nicht identifizierter Torpedoboote, der um 15.25 Uhr erfolgte.

2. Um 16.11 Uhr (9.11 Uhr) meldete der Oberbefehlshaber der USA in Europa dem Nationalen Militärischen Kommandozentrum in Washington, dass die Liberty angegriffen wurde und nach einem Torpedotreffer auf Steuerbordkurs ging. Der Befehlshaber der Sechsten US-Flotte erklärte die angreifenden Einheiten für feindlich und schickte Angriffsflugzeuge von den Flugzeugträgern America und Saratoga zum Schutz der Liberty. Ein großer Teil der Kommunikationsausrüstung des Schiffes wurde von der Besatzung während des Angriffs zerstört, doch konnte bald eine Notverbindung mit der Saratoga und mit der Marinekommunikationsstation in Griechenland hergestellt werden. Aufgrund der angespannten Situation und der Verzögerungen bei der Kommunikation waren die ersten Berichte von der Liberty nur lückenhaft und etwas verwirrend.

Einzelheiten des Angriffs

3. Diesen Berichten zufolge verlief der Angriff jedoch wie folgt. Das Schiff wurde um 15.05 Uhr (8.05 Uhr) von nicht identifizierten Düsenjägern, von denen man annahm, dass es sich um israelische Kampfflugzeuge handelte, auf Position 31-35N, 33-29E angegriffen. Die Düsenjäger flogen sechs Angriffe. Zwanzig Minuten später näherten sich drei Torpedoboote mit hoher Geschwindigkeit, von denen zwei Torpedos abfeuerten, nachdem sie die Liberty zunächst umkreist hatten. Ein Torpedo ging achtern vorbei, der andere traf die Steuerbordseite des Schiffes in den Räumen, in denen sich die SIGINT-Sammler befanden. Eines der Boote wurde später als israelisch identifiziert, und die Rumpfnummer einer Einheit wurde als 206-T vermerkt. Etwa 50 Minuten später trafen zwei israelische Hubschrauber am Tatort ein.

Israelische Identifizierung des Schiffes

4. Die abgehörten Gespräche zwischen den Hubschrauberpiloten und dem Kontrollturm in Hatzor (in der Nähe von Tel Aviv) lassen jedoch wenig Zweifel daran, dass die Israelis die Liberty vor oder während des Angriffs nicht als US-Schiff identifiziert haben. Der Kontrollturm teilte (Hubschrauber) 815 um 15.31 Uhr mit, dass „dort ein Kriegsschiff liegt, das wir angegriffen haben. Die Männer sind von dort ins Wasser gesprungen. Sie werden versuchen, sie zu retten“. Obwohl es weitere Hinweise auf eine Suche nach den Männern im Wasser gab und obwohl US-Einheiten später das Gebiet durchsuchten, wurden keine Überlebenden aus dem Meer geborgen, und es gab auch keine Hinweise darauf, dass einer der 22 vermissten Besatzungsmitglieder der Liberty über Bord gegangen war.

5. Eine anschließende Nachricht des Kontrollturms an den Hubschrauber identifizierte das Schiff als ägyptisch und forderte den Piloten auf, nach Hause zurückzukehren. Obwohl die Liberty etwa 200 Fuß länger ist als der ägyptische Transporter El Quesir, konnte sie von einem übereifrigen Piloten leicht mit diesem Schiff verwechselt werden. Beide Schiffe haben ähnliche Rümpfe und Anordnungen von Masten und Schornsteinen.

6. Im Angriffsgebiet herrschte klares Wetter, die Rumpfnummer der Liberty (GTR 5) war gut sichtbar angebracht, und es wehte eine amerikanische Flagge. Der Hubschrauberpilot wurde daraufhin dringend gebeten, die Überlebenden als ägyptisch oder englisch sprechend zu identifizieren (dies war der erste Hinweis darauf, dass die Israelis vermuteten, sie hätten ein neutrales Schiff angegriffen). Der Hubschrauberpilot berichtete, eine amerikanische Flagge auf der Liberty gesehen zu haben. In einem weiteren Gespräch zwischen einem nicht identifizierten israelischen Fluglotsen und dem Hubschrauber mit der Nummer 815 berichtete der Pilot, dass die Nummer GTR 5 auf der Seite des Schiffes geschrieben war. Der Lotse sagte dem Piloten, die Nummer habe keine Bedeutung.

7. Somit waren die Israelis erst um 16:12 Uhr (9:12 Uhr) davon überzeugt, dass die Liberty amerikanisch war. Das war etwa 44 Minuten nach dem letzten Angriff auf das Schiff, und der Angriff war offenbar abgebrochen worden, nicht weil das Schiff identifiziert worden war, sondern weil es zu sinken schien. (Der US-Verteidigungsattaché in Tel Aviv berichtet, dass israelische Hubschrauber und die drei Torpedoboote das Gebiet bis 18.04 Uhr absuchten). Das israelische Hilfsangebot wurde wegen der sensiblen Mission des Schiffes abgelehnt. Nach Berichten der US Navy konnte das Schiff nur durch die Bemühungen der Besatzung gerettet werden.

Schäden und Personalverluste

8. Das Schiff erlitt schwere Verluste an Material und Personal. In der Nähe der Wasserlinie wurde durch einen Torpedo ein Loch von schätzungsweise 39 Fuß Breite am Boden und 24 Fuß Breite an der Oberseite geöffnet. Das Schiff ist unterhalb des zweiten Decks zwischen den Spanten 52 und 78 (36-Zoll-Spantenabstand) überflutet. Die Besatzung zerstörte notdürftig geheime Kommunikations- und Radargeräte, aber die technischen Anlagen des Schiffes sind intakt. Mehrere Stichflammen und Kanonenlöcher in den Aufbauten verursachten kleinere Schäden, und das Motorwalboot des Schiffes sowie fast alle Rettungsinseln gingen verloren. Unter den Opfern sind 10 Tote, 90 Verwundete und 22 Vermisste, von denen die meisten wahrscheinlich in den überfluteten Abteilungen eingeschlossen waren. Die Verwundeten und Toten wurden von Bord gebracht und einige zusätzliche Besatzungsmitglieder an Bord genommen. Das Schiff wird voraussichtlich am 14. Juni in Malta eintreffen, wo es im Trockendock liegt und der Rumpf repariert wird. Es werden Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um die geheimen Abhörgeräte in den überfluteten Räumen zu schützen. Die US-Marine hat einen Untersuchungsausschuss einberufen, um den Vorfall zu untersuchen.

Das Schiff und seine Befehle

9. Die USS Liberty ist ein umgebautes Handelsschiff der Victory-Klasse, das als SIGINT-Sammler eingesetzt wird. Die Einheit war von ihrer normalen Station vor Westafrika verlegt worden, um zusätzliche SIGINT-Aufklärung über die Krise im Nahen Osten zu leisten. In offiziellen US-Erklärungen wurde die Liberty jedoch als Elektronik-Forschungsschiff beschrieben, das in das Krisengebiet umgeleitet wurde, um als Funkrelaisstation für US-Botschaften zu fungieren.

10. Die Liberty lief am 2. Juni von Rota, Spanien, aus und hatte den Befehl, nicht näher als 12,5 Meilen an der Küste der UAR und 6,5 Meilen an der israelischen Küste zu patrouillieren. Eine vom Befehlshaber der Sechsten US-Flotte am 8. Juni um 12.17 Uhr erteilte Befehlsänderung war nach Angaben des Kommandanten des Schiffes vor dem israelischen Angriff nicht an Bord der Liberty eingegangen. Diese Änderung wurde zusammen mit Nachrichten anderer Kommandos, die der Liberty befahlen, sich den Küsten der UAR und Israels nicht näher als 100 Meilen und der Küste Zyperns nicht näher als 25 Meilen zu nähern, zum Teil aufgrund eines Missverständnisses über die Zuständigkeiten bei der Übermittlung verspätet übermittelt.

ANNEX

Chronologie der Ereignisse

(Angegebene Zeiten sind Ortszeiten; Washingtoner Zeiten in Klammern)